EÜ, ELB online lesen
Einheitsübersetzung
Einheitsübersetzung 2016
DRITTES LIED: 3,1–66
1 Ich bin der Mann, der Leid erlebt hat / durch die Rute seines Grimms.
2 Er hat mich getrieben und gedrängt / in Finsternis, nicht ins Licht.
3 Täglich von Neuem kehrt er die Hand / nur gegen mich.
4 Er zehrte aus mein Fleisch und meine Haut, / zerbrach meine Glieder,
5 umbaute und umschloss mich / mit Gift und Erschöpfung.
6 Im Finstern ließ er mich wohnen / wie längst Verstorbene.
7 Er hat mich ummauert, ich kann nicht entrinnen. / Er hat mich in schwere Fesseln gelegt.
8 Wenn ich auch schrie und flehte, / er versperrte den Weg meinem Gebet.
9 Mit Quadern hat er mir die Wege verriegelt, / meine Pfade irregeleitet.
10 Ein lauernder Bär war er mir, / ein Löwe im Versteck.
11 Er ließ meine Wege sich verstricken, / machte mich regungslos und einsam.
12 Er spannte den Bogen und stellte mich hin / als Ziel für den Pfeil.
13 In die Nieren ließ er mir dringen / die Geschosse seines Köchers.
14 Ein Gelächter war ich all meinem Volk, / ihr Spottlied den ganzen Tag.
15 Er speiste mich mit bitterer Kost / und tränkte mich mit Wermut.
16 Meine Zähne ließ er auf Kiesel beißen, / er drückte mich in den Staub.
17 Du hast mich aus dem Frieden hinausgestoßen; / ich habe vergessen, was Glück ist.
18 Ich sprach: Dahin ist mein Glanz / und mein Vertrauen auf den HERRN.
19 An meine Not und Unrast denken / ist Wermut und Gift.
20 Immer denkt meine Seele daran / und ist betrübt in mir.
21 Das will ich mir zu Herzen nehmen, / darauf darf ich harren:
22 Die Huld des HERRN ist nicht erschöpft, / sein Erbarmen ist nicht zu Ende.
23 Neu ist es an jedem Morgen; / groß ist deine Treue.
24 Mein Anteil ist der HERR, sagt meine Seele, / darum harre ich auf ihn.
25 Gut ist der HERR zu dem, der auf ihn hofft, / zur Seele, die ihn sucht.
26 Gut ist es, schweigend zu harren / auf die Hilfe des HERRN.
27 Gut ist es für den Mann, / ein Joch zu tragen in der Jugend.
28 Er sitze einsam und schweige, / denn er hat es ihm auferlegt.
29 Er beuge in den Staub seinen Mund; / vielleicht ist noch Hoffnung.
30 Er biete die Wange dem, der ihn schlägt, / und lasse sich sättigen mit Schmach.
31 Denn nicht für immer / verwirft der Herr.
32 Hat er betrübt, erbarmt er sich auch wieder / nach seiner großen Huld.
33 Denn nicht freudigen Herzens / plagt und betrübt er die Menschenkinder.
34 Dass man mit Füßen tritt / alle Gefangenen des Landes,
35 dass man das Recht des Mannes beugt / vor dem Antlitz des Höchsten,
36 dass man im Rechtsstreit den Menschen bedrückt, / sollte der Herr das nicht sehen?
37 Wer hat gesprochen und es geschah? / Hat nicht der Herr es geboten?
38 Geht nicht hervor aus des Höchsten Mund / das Gute wie auch das Böse?
39 Wie dürfte denn ein Lebender klagen, / ein Mann über seine Sünden?
40 Prüfen wir unsre Wege, erforschen wir sie / und kehren wir um zum HERRN!
41 Erheben wir unser Herz samt den Händen / zu Gott im Himmel!
42 Wir haben gesündigt und uns widersetzt; / du hast nicht vergeben.
43 Du hast uns in Zorn gehüllt und verfolgt, / getötet und nicht geschont.
44 Du hast dich in Wolken gehüllt, / kein Gebet kann sie durchstoßen.
45 Zu Unrat und Auswurf hast du uns gemacht / inmitten der Völker.
46 Ihren Mund rissen gegen uns auf / all unsre Feinde.
47 Grauen und Grube wurde uns zuteil, / Verwüstung und Verderben.
48 Tränenströme vergießt mein Auge / über den Zusammenbruch der Tochter, meines Volkes.
49 Mein Auge ergießt sich und ruht nicht; / es hört nicht auf,
50 bis der HERR vom Himmel her / sieht und schaut.
51 Mein Auge schmerzt mich / wegen all der Töchter meiner Stadt.
52 Wie auf einen Vogel machten sie Jagd auf mich, / die ohne Grund meine Feinde sind.
53 Sie stürzten in die Grube mein Leben / und warfen Steine auf mich.
54 Das Wasser ging mir über den Kopf; / ich sagte: Ich bin verloren.
55 Da rief ich deinen Namen, HERR, / tief unten aus der Grube.
56 Du hörtest meine Stimme: / Verschließ nicht dein Ohr / vor meinem Seufzen, meinem Schreien!
57 Du warst nahe am Tag, da ich dich rief; / du sagtest: Fürchte dich nicht!
58 Du, Herr, hast meine Sache geführt, / hast mein Leben erlöst.
59 Du, HERR, hast meine Bedrückung gesehen. / Verschaffe mir Recht!
60 Du hast gesehen ihre ganze Rachgier, / all ihr Planen gegen mich.
61 Du hast ihr Schmähen gehört, o HERR, / all ihr Planen gegen mich.
62 Das Denken und Reden meiner Gegner / ist gegen mich den ganzen Tag.
63 Blick auf ihr Sitzen und Stehen! / Ein Spottlied bin ich für sie.
64 Vergilt ihnen, HERR, / nach dem Tun ihrer Hände!
65 Gib ihnen ein verhärtetes Herz! / Dein Fluch über sie!
66 Verfolge sie im Zorn und vernichte sie / unter dem Himmel des HERRN!
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten
Elberfelder Bibel
Elberfelder 2006
Klage des Propheten über sein und des Volkes Elend – Anerkenntnis der Treue Gottes – Aufruf zum Sündenbekenntnis – Bitte um Rettung und Vergeltung an den Feinden
1 [7]Das dritte Kap. ist wie die beiden ersten ein Akrostichon, nur mit dem Unterschied, dass hier zusätzlich jede Strophenzeile mit dem Anfangsbuchstaben der Strophe beginnt.Ich bin der Mann, der Elend sah durch die Rute seines Grimmes.
2 Mich trieb er weg und ließ mich gehen in Finsternis und ohne Licht.
3 Nur[8]o. Fürwahr; o. Ja gegen mich wendet er immer wieder seine Hand, jeden Tag.
4 Verfallen ließ er mein Fleisch und meine Haut, zerbrach meine Knochen,
5 umbaute und umgab mich mit Gift und Mühsal.
6 Er ließ mich wohnen in Finsternissen, wie die Toten der Urzeit[9]Das kann bedeuten: gleich den längst Verstorbenen, o. gleich den {für} ewig Toten.
7 Er ummauerte mich, dass ich nicht herauskann; er legte mich in schwere, bronzene Ketten[10]w. er machte meine Bronze schwer.
8 Auch wenn ich schrie und um Hilfe rief, verschloss er {sein Ohr vor} meinem Gebet.
9 Er vermauerte meine Wege mit Quadersteinen, kehrte meine Pfade um[11]d. h. er hat meine Pfade ungangbar gemacht, o. er ließ mich krumme Wege gehen.
10 Ein lauernder Bär war er mir, ein Löwe im Versteck.
11 Er ließ mich vom Weg abirren[12]o. versperrte mir den Weg mit Dornen, zerfleischte mich[13]Eine griech. Üs. liest: und er lähmte mich und machte mich menschenleer[14]o. öde.
12 Er spannte seinen Bogen[1]w. Er trat seinen Bogen; d. h. um ihn zu krümmen und stellte mich hin als Ziel für den Pfeil.
13 Er ließ in meine Nieren dringen die Söhne seines Köchers.
14 Ich wurde meinem ganzen Volk[2]d. h. den Bewohnern von Jerusalem; viele hebr. Handschr. und 4 Handschr. von LXX überliefern: allen Völkern zum Gelächter, ihr Spottlied {bin ich} jeden Tag.
15 Er sättigte mich mit bitteren Kräutern und tränkte mich mit Wermut.
16 Und er ließ auf Kies meine Zähne beißen[3]w. sich zerreiben, er trat mich nieder in den Staub.
17 Du verstießest[4]LXX: Er verstieß; Vulg. und die syr. Üs. : Es ist verstoßen meine Seele aus dem Frieden[5]o. aus dem Wohlergehen, ich habe vergessen, was Glück[6]o. Gutes ist.
18 Und ich sagte: Verloren ist mein Glanz[7]Andere üs. mit Textänderung: Vertrauen und meine Hoffnung auf den Herrn[8]o. und meine Hoffnung ist fern von dem Herrn.
19 An mein Elend und meine Heimatlosigkeit zu denken, {bedeutet} Wermut und Gift!
20 {Und doch} denkt und denkt meine Seele daran und ist niedergedrückt in mir.
21 {Doch} dies will ich mir in den Sinn zurückrufen, darauf[9]o. deshalb will ich hoffen:
22 Ja, die Gnadenerweise des Herrn sind nicht zu Ende[10]so mit einer hebr. Handschr. , der syr. und aram. Üs. ; Mas. T. : Die Gnadenerweise des Herrn {sind es} , dass wir nicht zu Ende sind, ja, sein Erbarmen hört nicht auf,
23 es ist jeden Morgen neu. Groß ist deine Treue.
24 Mein Anteil[11]w. Losanteil. – Der Begriff wird ursprünglich im Zusammenhang mit der Verlosung des Landes durch Josua verwendet und steht dann allgemein für den Landbesitz der Stämme und des Einzelnen. ist der Herr, sagt meine Seele, darum will ich auf ihn hoffen.
25 Gut ist der Herr zu denen, die auf ihn harren, zu der Seele, die nach ihm fragt.
26 Es ist gut, dass man schweigend hofft[12]w. dass man hofft, und zwar schweigend, auf die Rettung des Herrn.
27 Gut ist es für den Mann, wenn er ein Joch in seiner Jugend trägt.
28 Er sitze einsam und schweige, wenn er es ihm auferlegt.
29 Er lege seinen Mund in den Staub[13]d. h. er schweige, vielleicht gibt es Hoffnung.
30 Er biete dem, der ihn schlägt, die Wange, sättige sich an Schmach.
31 Denn nicht für ewig verstößt der Herr,
32 sondern wenn er betrübt hat, erbarmt er sich nach der Fülle seiner Gnadenerweise.
33 Denn nicht von Herzen demütigt[14]o. erniedrigt und betrübt er die Menschenkinder.
34 Dass man alle Gefangenen des Landes unter seinen Füßen zertritt,
35 dass man das Recht eines Mannes beugt vor dem Angesicht des Höchsten,
36 dass man einen Menschen irreführt in seinem Rechtsstreit – sollte der Herr es nicht sehen?
37 Wer ist es, der da sprach, und es geschah – {und} der Herr hat es nicht geboten?
38 Kommt nicht aus dem Mund des Höchsten das Böse und das Gute hervor?
39 Was beklagt sich der Mensch, der {noch} am Leben ist[15]d. h. vom Unglück nicht tödlich getroffen wurde, {was beklagt sich} der Mann über seine Sündenstrafe?[16]o. {er werde} Herr über seine Sünden
40 Prüfen wollen wir unsere Wege und erforschen und umkehren zu dem Herrn!
41 Lasst uns unser Herz samt den Händen erheben[17]Andere üs. mit veränderter Vokalisierung: Lasst uns unsere Herzen, nicht unsere Hände erheben zu Gott im Himmel!
42 Wir, wir haben die Treue gebrochen und sind widerspenstig gewesen; du {aber} , du hast nicht vergeben.
43 Du hast dich in Zorn gehüllt und hast uns verfolgt; du hast uns umgebracht ohne Mitleid.
44 Du hast dich in eine Wolke gehüllt, sodass kein Gebet hindurchdrang.
45 Du hast uns zum Kehricht und zum Ekel gemacht mitten unter den Völkern.
46 Alle unsere Feinde reißen ihren Mund über uns auf.
47 Grauen und Grube sind uns zuteilgeworden, Untergang und Zusammenbruch.
48 Wasserbäche lässt mein Auge fließen[1]w. In Wasserbächen geht mein Auge nieder wegen des Zusammenbruchs der Tochter meines Volkes.
49 Mein Auge ergießt sich und kommt nicht zur Ruhe, {tränt} unaufhörlich,
50 bis der Herr vom Himmel herunterschaut und hinsieht.
51 Mein Auge schmerzt mich[2]w. Mein Auge tut meiner Seele weh wegen all der Töchter meiner Stadt.
52 Wie einen Vogel jagten und jagten mich {jene} , die grundlos meine Feinde sind.
53 Sie stürzten mein Leben in die Grube[3]o. Sie brachten in der Grube mein Leben zum Schweigen und warfen Steine auf mich.
54 Wasser strömte über mein Haupt. Ich sagte {mir}: Ich bin {vom Leben} abgeschnitten!
55 Da rief ich deinen Namen an, Herr, aus der Grube tief unten.
56 Du hast meine Stimme gehört. Verbirg dein Ohr nicht vor meinem Seufzen, meinem Schreien[4]so mit LXX; Mas. T. : Verbirg dein Ohr nicht – zu meiner Erleichterung – vor meinem Schreien!!
57 Du nahtest an dem Tag, als ich dich anrief; du sprachst: Fürchte dich nicht!
58 Du hast, Herr, meinen Rechtsstreit geführt[5]w. Du strittest, Herr, die Rechtsstreite meiner Seele, hast mein Leben erlöst.
59 Du, Herr, hast meine Entrechtung[6]o. Unterdrückung gesehen. Verhilf mir zu meinem Recht[7]w. Entscheide (richte) mein Recht. – Andere üs. mit Textänderung: Du hast mir zu meinem Recht verholfen.!
60 Du hast gesehen all ihre Rachgier, alle ihre Pläne gegen mich.
61 Gehört hast du ihr Schmähen, Herr, alle ihre Pläne[8]Andere lesen mit Änderung eines Buchstabens: Verleumdungen gegen mich,
62 das Gerede derer, die gegen mich aufgetreten sind, und ihren Spott über mich den ganzen[9]o. jeden Tag.
63 Ihr Sitzen und ihr Aufstehen schau dir an! Ich bin ihr Spottlied.
64 Übe an ihnen Vergeltung, Herr, nach dem Werk ihrer Hände!
65 Gib ihnen Verblendung des Herzens[10]o. Du wirst an ihnen Vergeltung üben … Du wirst ihnen Verblendung … geben usw.! Dein Fluch komme über sie!
66 Jage ihnen nach im Zorn und rotte sie aus unter dem Himmel des Herrn!
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen