Was Bibel und Koran über den Nahostkonflikt mit Israel und Palästina sagen

Am Anfang steht Abraham – er ist der Stammvater im Judentum, Christentum und Islam. 

Nach der Erzählung der hebräischen Bibel, des christlichen Alten Testaments, wurde Abraham rund 2.000 Jahre vor Christus in der Stadt Ur in Mesopotamien auf dem Gebiet des heutigen Irak geboren  (Gen 12-25 in der Bibelthek). Der Bibel zufolge fordert Gott ihn auf, seine Heimat zu verlassen und sich auf die Reise in ein verheißenes Land zu machen. Er erreicht Kanaan, das spätere Israel/Palästina. Gott verspricht, dass dieses Land Abrahams Nachkommen gehören soll.

Und hier beginnt sich schon der Jahrtausende währende Konflikt abzuzeichnen: Weil Abrahams Frau Sara zunächst kein Kind bekommt, schläft Abraham mit seiner Magd Hagar, die Ismael zur Welt bringt – er gilt als Stammvater der arabischen Völker. Schließlich bekommt aber auch Sara einen Sohn: Isaak, den Vater Jakobs und damit Stammvater Israels.

Wessen Nachkommen soll nun das verheißene Land gehören? Der Segen Gottes gilt beiden Söhnen – auch wenn Abraham Hagar und Ismael schließlich im wahrsten Sinn des Wortes in die Wüste schickt.

Die Rivalität zwischen Isaak und Ismael kann als Ursprung und Vorgeschichte der Spannungen zwischen Israel und den arabischen Völkern interpretiert werden. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn es um direkte Verbindungen mit der Gegenwart geht. Das Buch Genesis beschreibt dem eigenen Anspruch nach göttliches Handeln in der Welt. Damit erzählt die Bibel aus der Sicht des Glaubens und will auch so verstanden werden.

Das heißt auch: Die beschriebenen Ereignisse können häufig nicht mit historisch-archäologischen Mitteln bewiesen oder widerlegt werden. Und es sind unterschiedliche Interpretationen und Perspektiven auf die Geschichte möglich – der Koran etwa gibt Ismael eine bedeutendere Rolle als die Bibel.

Vor diesem Hintergrund sind auch die weiteren Geschwister- und Konfliktgeschichten zu sehen. So ist etwa das Verhältnis zwischen Jakob (später Israel genannt) und seinem Bruder Esau sehr spannungsreich. Die beiden waren Zwillinge und waren zutiefts zerstritten.

Schon darin könnte man einen Vorausblick auf heutige Konflikte sehen: Israel und seine Nachbarvölker sind eng verwandt und bekämpfen sich zugleich auf das Heftigste. In der biblischen Geschichte verliert Esau das Erstgeburtsrecht, weil Jakob es ihm trickreich abluchst. Das ließe sich so interpretieren, dass Esau – als Vorfahr einiger arabischer Völker – sein Erbe freiwillig und leichtfertig aufgegeben hat. Und tatsächlich streiten sich die Nachkommen der beiden laut Bibel immer wieder um Landrechte.

Die beiden Zwillingsbrüder selbst versöhnen sich allerdings am Ende!

Schon Abraham streitet sich mit seinem Neffen Lot um Weideland für ihre Herden (hier 1. Mose 13 in der Bibelthek). Abraham schlägt Lot vor, dass sie sich trennen sollen, um den Konflikt zu beenden. Lot wählt daraufhin die fruchtbare Ebene des Jordantals, während Abraham in Kanaan bleibt.

Zwischen den Hirten Isaaks und den Philistern kommt es ebenfalls zum Streit: Die Leute Isaaks graben Brunnen für ihre Herden, doch auch die Philister beanspruchen den Zugang zu den Wasserquellen. Schließlich zieht Isaak weiter, baut weitere Brunnen und schließt mit den Philistern Frieden. Solche Konflikte um Wasser werden mehrfach berichtet – und spielen auch heute noch eine große Rolle im trockenen Klima des Nahen Ostens.

Mit den Philistern befindet sich das Volk Israel laut Bibel in einem Dauerkonflikt. Es handelt sich dabei um ein Seevolk, das wahrscheinlich im 12. Jahrhundert vor Christus aus der Ägäis (Kreta) kommend die südliche Küste des heutigen Israel/Palästina, unter anderem Gaza, besiedelte. Immer wieder werden sie als Feinde der Israeliten beschrieben, gegen die Israel häufig Krieg geführt hat.

Als eigenständiges Volk sind die Philister im 6. Jahrhundert vor Christus verschwunden bzw. in den umliegenden Völkern aufgegangen. Erhalten blieb ihr Name: Die römische Besatzungsmacht nannte das von ihnen besetzte Israel im Jahr 135 n. Chr. „Syria Palaestina“ – nicht, weil dort zu diesem Zeitpunkt noch Philister als eigene Volksgruppe lebten, sondern um Israel den Anspruch auf ihr Land streitig zu machen.

Die heutigen Palästinenser stammen nicht von den Philistern ab, sondern sind Nachkommen arabischer Sippen, die von der arabischen Halbinsel nach Palästina eingewandert sind sowie von alteingesessenen Bewohnern des Landes, die ab dem 6. Jahrhundert islamisiert wurden.

So ist die in der Bibel beschriebene jahrhundertelange Dauerfehde zwischen Israeliten und Philistern zwar keine direkte Vorgeschichte des heutigen Konflikts, aber sie zeigt: Umstritten und umkämpft war das Heilige Land schon immer. Doch auch der Streit im Inneren hat im Volk Israel eine lange Tradition.

Denn die Israeliten hatten im Verlauf ihrer Geschichte nicht nur Streitigkeiten und Kriege mit ihren Nachbarvölkern und übermächtigen Imperien (Babylon, Assyrien), sondern lagen auch miteinander immer wieder im Clinch.

So kam es im 10. Jahrhundert nach dem Tod von König Salomo zur Trennung zwischen dem Nordreich Israel und dem Südreich Judäa. Einer der Gründe war die Unzufriedenheit mit der Politik Salomos, etwa wegen hoher Steuern. Der Bau des Tempels führte zu großer Arbeitslast, religiöse Differenzen verstärkten die Spannungen.

In der Folge gab es dann zwei Reiche mit je eigener Hauptstadt (Samaria im Norden und Jerusalem im Süden) und verschiedenen Königen. Wirklich vereint wurde Israel tatsächlich erst mit Gründung des modernen Staates Israel 1948.

Was für die Konflikte mit anderen Völkern gilt, trifft auch auf die inneren Streitigkeiten zu: Eine direkte Übertragung auf neuzeitliche Entwicklungen verbietet sich. Es gibt keine direkten historischen Linien und auch die politische Situation ist eine ganz andere.

Zweifellos ist aber auch das moderne Israel ein Land, in dem die offene Debatte und die Streitlust groß sind, vielfältige politische Strömungen sich leidenschaftlich bekämpfen und die innere Einheit keineswegs immer gegeben ist. So wertvoll der offene Austausch im demokratischen Sinn ist, führt er doch nicht immer zu einem geschlossenen Auftreten nach Außen – eine Schwäche, die Israels Gegner immer wieder zu nutzen verstehen.

Die biblische Geschichte ist nicht die unmittelbare Ursache und auch keine Blaupause für die heutigen Konflikte. Die damaligen, ganz unterschiedlichen Beteiligten lassen sich nicht direkt mit heutigen Protagonisten gleichsetzen.

Zugleich lässt sich durchaus sagen, dass die Wurzeln heutiger Auseinandersetzungen tief in die Geschichte reichen. Denn damals wie heute beansprucht Israel ein Land, in dem auch andere Völker leben und das sie ebenfalls beanspruchen. Auch wenn der moderne Zionismus im 19. Jahrhundert zunächst eine säkulare (weltliche) Bewegung war, sieht das heutige Israel sich ausdrücklich als das Volk der Bibel, das ein Anrecht hat, im Land Israel zu leben – je nach religiöser Prägung mit göttlichem Auftrag.

Die (arabischen) Palästinenser beziehen sich natürlich ebenfalls auf ihre historischen Wurzeln im Land – auch wenn der Bezug auf die Philister historischer Forschung nicht standhält. Zweifellos haben aber auch die muslimisch-arabischen Palästinenser seit vielen Jahrhunderten das Land zwischen Mittelmeer besiedelt. Eine Lösung des Konflikts wird sich also genauso wenig wie seine Ursache aus (biblischer) Geschichte ableiten lassen.

Interessant ist ein Blick in den Koran: Jerusalem hat für Muslime eine religiöse Bedeutung, weil von dort der Prophet Mohammed gen Himmel gefahren sein soll.

Allerdings ist für den Koran auch klar: Israel ist das Land der Juden. Der Prophet Mohammed stellte sich in die Tradition des Judentums und der hebräischen Bibel, die den Juden das Heilige Land verspricht. So heißt es unter anderem in Sure 7,137: „Und wir [=Gott] ließen das Volk, das unterdrückt war [=die Juden in Ägypten], das Land erben, auf dem unser Segen ruht [=Israel/Palästina] ... Und das gute Wort deines Herren über die Kinder Israel traf ein.“

Simon Laufer,
Pastor und Journalist