Wie der Nahostkonflikt um Israel und Palästina entstand

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit dem Terrorangriff der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurde die spannungsreiche Beziehung zwischen Israel und Palästinensern wieder zum Krieg. Die Meldungen dazu überschlagen sich seitdem – und lassen viele Menschen hier bei uns, weitab von der Krisenregion, verunsichert zurück. Der Konflikt im Nahen Osten ist ein komplexes Thema.

Doch welche Ereignisse und Entwicklungen haben zur heutigen Lage geführt? Das möchten wir hier ausführen. Besonderes Augenmerk liegt auf Israel und Palästina, auch wenn der dortige Konflikt nicht von den umliegenden Ländern zu trennen ist.

Wir beginnen mit dem Rückblick im zweiten Jahrtausend vor Christus. In ägyptischer Gefangenschaft werden die Israeliten von der Nomadensippe zum großen Volk. Nach 400 Jahren Sklaverei am Nil wandern die Hebräer im 13. Jahrhundert vor Christus in das Land Kanaan im Gebiet des heutigen Israel/Palästina ein.

Ehrlicher gesagt: Sie erobern es gewaltsam, da Gott ihnen den Auftrag gegeben hatte, das gelobte Land in Besitz zu nehmen. Dabei bekämpfen und vertreiben sie die Kanaaniter und andere Stämme. Manche Historiker und Archäologen bezweifeln das Ausmaß der Besiedlung, aber nicht die Einnahme des Landes durch die Israeliten.

Etwa 1000 Jahre vor Christus wird David König der zwölf Stämme Israels. Er wählt Jerusalem als Hauptstadt, sein Sohn Salomo baut dort den ersten jüdischen Tempel als Ort, an dem Gott präsent ist und sich offenbart. Deshalb behält Jerusalem als „Zion“ seine herausragende Bedeutung durch die Geschichte.

Bald nach Salomos Tod teilt sich das Reich in das südliche Judäa und ein Nordreich Israel. Im Jahr 722 vor Christus erobern die Assyrer das Nordreich und deportieren einen Teil der Bevölkerung aus Israel nach Assyrien. Rund 130 Jahre später nehmen die Babylonier das Südreich mit der Stadt Jerusalem ein und zerstören den Tempel. Es folgt die erste große Zeit im Exil (Diaspora), erst ab 538 vor Christus ist die Rückkehr möglich.

515 vor Christus wird der neuaufgebaute Tempel in Jerusalem eingeweiht. Immer wieder bedrängen fremde Mächte das kleine Land, doch 142 vor Christus kann das jüdische Königreich neugegründet werden. Etwa 80 Jahre später unterwerfen die Römer Israel und zerstören im Jahr 70 n. Chr. den zweiten jüdischen Tempel, das wichtigste Symbol des jüdischen Glaubens und der Identität als Staat und Volk.

Ein Großteil des jüdischen Volkes flieht in die Diaspora – das Exil in europäischen, aber auch arabischen Ländern und dem Iran. Dennoch leben weiterhin Juden in Israel, auch wenn es phasenweise nur wenige Tausend sind. Um den jüdischen Anspruch auf das Land zu bestreiten, nennen die Römer es nach einem alten, zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr existenten Volk, den Philistern: „Syria Palaestina“.

Nach der Teilung des römischen Reiches gehört Israel, das jetzt Palästina heißt, ab 395 zu Ostrom, 614 erobern die Perser das Land. 634 nehmen muslimische Araber Palästina ein und errichten 691 auf dem Tempelberg in Jerusalem den Felsendom. Er steht genau an dem Ort, an dem sich bis zu seiner Zerstörung durch die Römer der jüdische Tempel befunden hatte.

Seitdem leben neben Juden und Christen auch Muslime in Palästina. 1099 erobern die christlichen Kreuzfahrer Jerusalem, werden aber von Muslimen unter Führung des Kurden Saladin besiegt. Die muslimisch-arabischen Militärdynastien, die Palästina beherrschen, unterliegen später osmanischen Türken. Palästina bleibt bis 1917 Teil des Osmanischen Reiches – also in türkischer Hand.

Aber wie geht es im 20. Jahrhundert weiter in dieser besonderen Region des Nahen Ostens?

Mit dem Sieg Großbritanniens 1917/18 ist der Niedergang des Osmanischen Reiches besiegelt. 1922 erklärt der Völkerbund (der Vorläufer der Vereinten Nationen) Palästina zum britischen Mandatsgebiet. Es umfasst das heutige Israel, Gaza und die Westbank, aber auch Teile des heutigen Jordanien. Der Auftrag: Die „Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ unter der Bedingung, „dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina […] beeinträchtigen würde“.

Zu diesem Zeitpunkt sind schon viele Juden nach Israel zurückgekehrt. Bereits in den Jahrhunderten zuvor wanderten immer wieder Juden nach Palästina ein. Doch der von Theodor Herzl begründete Zionismus hatte diese Entwicklung Ende des 19. Jahrhunderts deutlich verstärkt. Am 29. November 1947 beschließt die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Teilung „Palästinas“ in je einen jüdischen und einen arabisch-palästinensischen Staat zwischen Jordan und Mittelmeer.

Für Jerusalem ist eine internationale Verwaltung geplant. Zu dem Zeitpunkt leben im britischen Mandatsgebiet rund 1,2 Millionen arabische Palästinenser und etwa 600.000 Juden. Während die jüdische Seite mit dem UN-Komitee zusammenarbeitet, boykottiert die arabische Seite den Ausschuss – so ist die arabische Bevölkerung von der Planung ausgeschlossen.

Krieg vor und nach der Staatsgründung

Schon seit den 1920er Jahren hatte es wechselseitig Angriffe und Anschläge gegeben, nach dem Beschluss beginnt ein Bürgerkrieg zwischen Juden und Palästinensern, unterstützt von den arabischen Nachbarstaaten. Am 14. Mai 1948 verkündet David Ben-Gurion entsprechend dem UN-Beschluss die Unabhängigkeit des „Jüdischen Staates Israel“ und am 15. Mai die Gründung des Staates. Die Ablehnung der arabischen Seite führt dazu, dass die Palästinenser auf die Gründung eines eigenen Staates verzichten.

Am Tag nach der israelischen Staatsgründung marschieren die Armeen der arabischen Nachbarstaaten Israels, also Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon, Irak und Saudi-Arabien, in Israel ein. Das Ziel: den jüdischen Staat zu zerstören und die Juden aus Palästina zu vertreiben. Das Ergebnis: Israel gewinnt nicht nur militärisch, sondern erobert etwa 40 Prozent des Landes, das im UN-Teilungsplan für den palästinensisch-arabischen Staat vorgesehen war. Das so entstehende Gebiet gilt bis heute als Kernland Israels.

Während des Krieges verlassen 700.000 Araber ihr Zuhause, teils unter Zwang, teils freiwillig, in der Hoffnung, bald zurückzukehren. So entstehen in den Nachbarländern und in Gaza „Flüchtlingslager“, die noch immer so genannt werden. Das Rückkehrrecht dieser Flüchtlinge und ihrer Nachkommen ist bis heute einer der großen Streitpunkte im Konflikt. Die Palästinenser nennen den verlorenen Krieg und die Vertreibung „Nakba“ – Katastrophe. 1949 kommt es – ohne ein Friedensabkommen – zum Waffenstillstand.

Weiterhin kein Frieden in Sicht

In den Jahren nach der Staatsgründung wandern – auch als Folge des Holocausts – zahlreiche Juden aus aller Welt in den neuen Staat Israel ein und bauen ihn unter oft äußerst widrigen Bedingungen auf. Im Jahr 1956 der nächste Krieg: Der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser blockiert den Golf von Akaba und sperrt den Suezkanal für israelische Schiffe. Israel marschiert daraufhin in den von Ägypten kontrollierten Gazastreifen und die Sinai-Halbinsel ein. Gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich gewinnt Israel die militärische Kontrolle über den Suez-Kanal, muss sich jedoch auf internationalen Druck wieder zurückziehen.

1967 greifen dann abermals die arabischen Staaten an. Wieder behält Israel die militärische Oberhand und erobert im „Sechs-Tage-Krieg“ von Ägypten die Sinai-Halbinsel und den ägyptisch verwalteten Gaza-Streifen sowie das von Jordanien 1948 widerrechtlich eingegliederte Westjordanland und von Syrien die Golan-Höhen.

Im Jom-Kippur-Krieg 1973 überfallen Ägypten und Syrien am höchsten jüdischen Feiertag, dem Versöhnungstag, Israel, das die Angriffe aber abwehren kann. Eine Initiative des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat führt zum israelisch-ägyptischen Friedensvertrag 1979 und der Rückgabe des Sinai an Ägypten. Die Beziehungen der beiden Länder normalisieren sich. Anders im Norden: Auf Angriffe der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) vom Libanon aus reagiert Israel 1982 mit einer Invasion des nördlichen Nachbarlandes sowie Syriens. Der Krieg endet 1983 mit einem Friedensvertrag zwischen Libanon und Israel, vollständig zieht sich die israelische Armee im Jahr 2000 aus dem Südlibanon zurück. Bis heute ist dort die vom Iran hochgerüstete und gesteuerte Terror-Miliz Hisbollah aktiv und beschießt Israel regelmäßig.

Beginn der Intifada und des „Osloer Friedensprozesses“

In den 1980er Jahren gehen die gewaltbereiten Palästinenser zu einer neuen Strategie über. Im Jahr 1987 beginnt die „Erste Intifada“ (arabisch für „Abschüttlung“): Ein „asymmetrischer Aufstand“, mit Demonstrationen, dem Boykott israelischer Waren, dem Werfen von Steinen auf Soldaten, aber auch weiteren Terroranschlägen. Der „Oslo-Friedensprozess“ führt zu einer langsamen Annäherung der beiden Seiten.

Ein erstes Abkommen (Oslo I) wird im September 1993 unterschrieben. Es sieht die Einrichtung einer palästinensischen Selbstverwaltung und Verhandlungen über eine finale Vereinbarung vor. In einem zweiten Abkommen (Oslo II) 1995 wird die Selbstverwaltung näher geregelt und ausgeweitet. In der Folge gibt es Städte unter palästinensischer Selbstverwaltung sowie Zonen unter gemeinsamer Verwaltung und weiterhin jüdisch-israelische Siedlungen im Westjordanland. Doch eine Reihe von Ereignissen erschüttert den Friedensprozess: Der israelische Premierminister Jitzchak Rabin wird im November 1995 von einem jüdisch-religiösen Extremisten ermordet. Hinzu kommen weitere Terroranschläge der Palästinenser, israelischer Siedlungsbau und die Fortführung der Intifada.

Ab der Jahrtausendwende bis heute

Im siebten Jahrhundert nach Christus hatten Araber das von den Römern zunächst „Syria Palaestina“ genannte Land, das dann Palästina hieß, eingenommen und auf dem Tempelberg in Jerusalem den Felsendom errichtet. Nach dem Sieg osmanischer Türken war Palästina seit 1516 in türkischer Hand. 1922 erklärte der Völkerbund (der Vorläufer der Vereinten Nationen) Palästina zum britischen Mandatsgebiet. 1947 beschloss die UN-Vollversammlung einen Teilungsplan, den die arabischen Staaten ablehnten. Seit der Staatsgründung Israels 1948 kam und kommt die Region nicht zur Ruhe. Zwar führte der „Oslo-Friedensprozess“ zu einer langsamen Annäherung.

In der Folge aber gab es Städte unter palästinensischer Selbstverwaltung sowie Zonen unter gemeinsamer Verwaltung und weiterhin jüdisch-israelische Siedlungen im Westjordanland. Doch eine Reihe von Ereignissen erschütterte den Friedensprozess, unter anderem die Ermordung des israelischen Premierministers Jitzchak Rabin durch einen jüdisch-religiösen Extremisten, Terroranschläge der Palästinenser, israelischer Siedlungsbau und die Fortführung der Intifada.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden zwar die Friedensbemühungen fortgesetzt: Die Konfliktparteien treffen sich zu Verhandlungen – etwa im Jahr 2000, mit Beteiligung von Jassir Arafat und dem israelischen Premierminister Ehud Barak – doch ohne Ergebnis. Stattdessen eskaliert die Gewalt durch palästinensische Extremisten.

Ab April 2002 besetzt Israel in der Operation „Schutzwall“ palästinensische Städte und zerstört palästinensische Verwaltungs- und Sicherheitsstrukturen. Eine Barriere wird errichtet, um das Eindringen von Terroristen nach Israel zu verhindern. Die palästinensische Bevölkerung ist mehr denn je auf internationale humanitäre Hilfe angewiesen. Bis zum Ende der Zweiten Intifada 2005 haben beide Seiten mehrere Tausend Tote zu beklagen. Die in den 1990ern erreichten Fortschritte in Bezug auf den Frieden und das Entstehen eines palästinensischen Staats stehen in Frage.

Die Barriere zwischen Israel und den Palästinensergebieten, Anfang der 2000er Jahre gebaut, zeigt Wirkung. Die Zahl der Anschläge verringert sich deutlich. Um so mehr kommt es nun zu Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen, auf die die israelische Armee antwortet. Das Problem: Die islamistischen Terrorgruppen in Gaza verbinden sich eng mit ziviler Infrastruktur wie Moscheen, Schulen und dicht besiedelten Wohngebieten.

Der Friedensprozess scheitert, es brodelt weiter auf allen Seiten

2005 schließlich räumt Israel seine Siedlungen im Gaza-Streifen mit 7.000 Bewohnern. Doch die Lage verbessert das nicht: Die radikal-islamische Hamas gewinnt die Wahlen in Gaza im Jahr 2006 und besiegt ihre innerpalästinensischen Rivalen der Fatah in einem Bürgerkrieg. Damit ist der Friedensprozess bis auf Weiteres am Ende, denn die Hamas erkennt das Existenzrecht Israels nicht an und will laut eigener Charta die „Juden ins Meer“ treiben – mit allen Mitteln. In den Folgejahren kommt es immer wieder zu Kriegen zwischen Israel einerseits und der Hamas (in Gaza) und der Hisbollah andererseits. Auch die Westbank brodelt weiter.

Sämtliche Versuche der vergangenen 20 Jahre, den Friedensprozess wieder in Gang zu setzen, scheitern. Die noch in den 1990er Jahren starke Friedensbewegung in Israel resigniert zunehmend. So kommt es immer mehr zu einer Politik der einseitigen Abkopplung Israels von den palästinensischen Gebieten. Die 600 Kilometer lange Sicherheitsbarriere ist Teil dieser Strategie. Auch im Westjordanland verliert die (gemäßigtere) Fatah an Zustimmung und die radikal-islamische Hamas gewinnt an Beliebtheit.

So ist die Zwei-Staaten-Lösung bereits in weite Ferne gerückt, als das größte einzelne Pogrom an Juden nach dem Holocaust stattfindet: Am 7. Oktober 2023, dem „Schwarzen Sabbat“, überfallen tausende Hamas-Terroristen von Gaza aus israelische Siedlungen im Kernland. Sie foltern, vergewaltigen und ermorden über 1.400 Israelis, überwiegend Zivilisten, vom Säugling bis zum Greis. Darüber hinaus entführen sie rund 230 Menschen und halten noch immer (Stand Anfang Februar 2024) mehr als 130 Geiseln gefangen. Israel antwortet darauf mit einem bis heute (Stand Februar 2024) anhaltenden militärischen Angriff auf den Gazastreifen. Das Ziel: Die Befreiung der Geiseln und die Zerstörung der militärischen Fähigkeiten der Hamas.

Zum Schluss folgende Bemerkung:

Eine solche Übersicht kann nur schlaglichtartig wichtige Stationen und Themen eines Konflikts darstellen, der Jahrzehnte dauert und letztlich weit zurückreichende Wurzeln hat.

Zudem sind weitere Parteien und Interessengruppen mit dem Konflikt verbunden, die nur gestreift werden können: Die USA und die Europäer, die einerseits Vermittler sind, aber natürlich auch eigene Interessen in der Region vertreten. Die Rolle der arabischen Staaten und des Irans, die teilweise Friedensverträge mit Israel haben (Ägypten, Jordanien, Vereinigte Arabische Emirate, Marokko, Sudan), andererseits aus einer Mischung von religiösen und politischen Gründen heraus Israel bedrohen und vernichten wollen (Iran, die Houthi-Rebellen im Jemen u.a.). Speziell ist die Situation der Türkei, die einerseits mit Israel kooperiert, es als Teil der islamischen Welt aber auch bekämpft.

Auch innenpolitische Aspekte tragen zu den Entwicklungen bei: Die von Premier Benjamin Netanjahu angestrebte Justizreform führte zu einer innenpolitischen Destabilisierung, ohne die der 7. Oktober so wohl nicht möglich gewesen wäre.

Quellen:
Michael Wolffsohn, Wem gehört das Heilige Land? Die Wurzeln des Streits zwischen Juden und Arabern, München, 23. Auflage im Dezember 2023.
www.bpb.de/themen/naher-mittlerer-osten/israel/
www.lpb-bw.de/nahostkonflikt