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Elberfelder Bibel
Elberfelder 2006
Die Klagelieder
Jerusalems Klage über sein Elend, Bekenntnis der Schuld und Bitte um Hilfe und Vergeltung an den Feinden
1 [1]Im Hebr. bestehen die beiden ersten Kapitel aus je 22 dreizeiligen Strophen (mit Ausnahme von Kap.1,7) , deren Anfangsbuchstaben der alphabetischen Reihenfolge entsprechen.Wehe, wie sitzt so einsam da die {einst} volkreiche Stadt! Sie ist einer Witwe gleich geworden, die Große unter den Nationen! Die Fürstin über die Provinzen ist zur Zwangsarbeit erniedrigt[2]w. ist zur Zwangsarbeit geworden!
2 Sie weint und weint des Nachts, und ihre Tränen {laufen} über ihre Wangen. Sie hat keinen Tröster[3]o. keinen, der {ihr} Mut zuspricht unter allen, die sie liebten[4]o. unter all ihren Liebhabern; alle ihre Freunde haben treulos an ihr gehandelt, sind ihr zu Feinden geworden.
3 Gefangen ist Juda weggezogen aus Elend und aus schwerem[5]w. aus zahlreichem Sklavendienst. Es wohnt unter den Nationen, findet keinen Rastplatz. Alle seine Verfolger haben es erreicht – mitten in der Bedrängnis[6]w. zwischen den Bedrängnissen.
4 Die Wege nach Zion trauern, weil niemand zum Fest kommt. All ihre Tore sind menschenleer[7]o. verödet, ihre Priester seufzen, ihre Jungfrauen sind betrübt, und ihr selbst ist bitter weh.
5 Ihre Gegner sind obenauf, ihre Feinde haben Ruhe. Denn der Herr hat sie betrübt wegen der Menge ihrer Verbrechen[8]o. {Treue} brüche. Ihre Kinder sind vor dem Gegner her in Gefangenschaft gezogen.
6 So zog aus der Tochter Zion all ihre Pracht aus. Ihre Obersten sind wie Hirsche geworden, die keine Weide finden, und kraftlos zogen sie dahin vor dem Verfolger.
7 Jerusalem denkt in den Tagen ihres Elends und ihrer Heimatlosigkeit an all ihre Kostbarkeiten, die es {bei ihr} gab seit den Tagen der Vorzeit, {jetzt, } da ihr Volk durch die Hand des Gegners gefallen ist und sie keinen Helfer hat. Die Gegner sehen ihr zu, lachen darüber, dass es mit ihr aus ist[9]w. lachen über ihr Aufhören.
8 Schwer gesündigt hat Jerusalem. Darum ist sie zum Gespött[10]w. zum {Gegenstand des} Kopfschüttelns. – Andere leiten die Bedeutung von einer anderen Wortwurzel ab und üs. »zur Befleckung« o. »zu etwas Abscheulichem«. geworden; alle ihre Verehrer verachten sie, weil sie ihre Blöße gesehen haben. Sie selbst aber seufzt und wendet sich ab.
9 Ihre Unreinheit {klebt} an ihrem Saum[11]w. ihren Säumen; gemeint ist der untere Rand des Gewandes; ihr Ende hat sie nicht bedacht. So ist sie entsetzlich heruntergekommen, ohne dass einer sie tröstet. Sieh an, Herr, mein Elend, denn der Feind tut sich groß!
10 Seine Hand hat der Gegner ausgestreckt nach all ihren Kostbarkeiten. Ja, sie musste mit ansehen, wie Nationen in ihr Heiligtum kamen, denen du geboten hattest, sie sollten dir nicht in die Versammlung kommen!
11 All ihr Volk seufzt auf der Suche nach Brot; sie geben ihre Kostbarkeiten für Nahrung hin, um sich am Leben zu halten[12]w. um die Seele zurückkehren zu lassen. Siehe, Herr, und schau, wie verachtet ich bin!
12 Ist es {noch} nicht zu euch {gedrungen}[13]o. Nicht für euch!; d. h. so viel wie: Wenn ich nun von meinem Schmerz rede, dann soll er nicht auch euch treffen. – Andere üs. mit Textänderung: Wohlan! – Wieder andere streichen die ganze Wendung., alle, die ihr des Weges zieht? Schaut und seht, ob es einen Schmerz gibt wie meinen Schmerz, der mir angetan worden ist, mit dem {mich} der Herr betrübt hat am Tag seiner Zornglut!
13 Aus der Höhe sandte er Feuer in meine Gebeine und zertrat sie. Er spannte ein Netz für meine Füße, zwang mich zur Umkehr. Er machte mich einsam[1]o. verödet; o. menschenleer und allezeit krank[2]o. unrein. – Das Wort bezeichnet ursprünglich die Menstruation der Frau..
14 Schwer[3]so mit Targum; Mas. T. : Angebunden; die Bedeutung des Wortes ist aber unsicher ist das Joch meiner Verbrechen, durch seine Hand zusammengeflochten. Sie kamen auf meinen Hals; {das} brach mir die Kraft[4]w. {das} brachte meine Kraft zum Stürzen. Der Herr lieferte mich solchen in die Hände, denen ich nicht standhalten kann.
15 Alle meine Starken verwarf der Herr in meiner Mitte; er rief gegen mich ein Treffen[5]o. eine Festversammlung aus, um meine jungen Männer[6]Das Wort meint speziell Männer im wehrfähigen Alter. zu zerschmettern; der Herr hat der Jungfrau, der Tochter Juda, die Kelter getreten[7]d. h. der Herr richtete ein Blutbad an.
16 Darüber muss ich weinen, mein Auge, mein Auge zerfließt von Wasser[8]w. geht in Wasser nieder. Denn ein Tröster[9]o. einer, der {mir} Mut zuspricht, der meine Seele erquicken könnte[10]w. zurückkehren lassen könnte, ist fern von mir. Meine Söhne sind vereinsamt, denn der Feind hat die Oberhand.
17 Zion breitet ihre Hände aus, {doch} da ist niemand, der sie tröstet[11]o. ihr Mut zuspricht. Der Herr entbot gegen Jakob seine Nachbarn als seine Feinde. Jerusalem wurde unter ihnen zum Abscheu[12]o. zur Befleckung.
18 Gerecht ist er, der Herr, ich aber bin gegen seinen Befehl widerspenstig gewesen. Hört doch, alle ihr Völker, und seht meinen Schmerz! Meine Jungfrauen und meine jungen Männer sind in die Gefangenschaft gezogen.
19 Ich rief nach denen, die mich geliebt hatten[13]o. nach meinen Liebhabern, sie aber betrogen mich. Meine Priester und meine Ältesten kamen in der Stadt um, als sie für sich Nahrung suchten, um sich am Leben zu halten[14]w. dass sie ihre Seele zurückbrächten.
20 Sieh, Herr, wie mir angst ist! Mein Inneres glüht[15]w. Meine Eingeweide glühen, mein Herz dreht sich mir im Leibe um, weil ich so sehr widerspenstig gewesen bin. Draußen hat mich das Schwert der Kinder beraubt {und} drinnen der Tod[16]so mit der syr. Üs. ; Mas. T. : {ist es} wie der Tod.
21 Man hört[17]Die syr. Üs. liest eine Bitte: Höre, wie ich seufze, {doch} habe ich keinen Tröster[18]o. einen, der mir Mut zuspräche. Alle meine Feinde haben mein Unglück gehört, haben sich gefreut, dass du es getan hast. Führst du[19]syr. Üs. : Führe du den Tag herbei, den du verkündigt hast, dann ergeht es ihnen wie mir.
22 All ihre Bosheit komme vor dich! Handle an ihnen, wie du an mir gehandelt hast wegen all meiner Verbrechen! Denn zahlreich sind meine Seufzer, und mein Herz ist krank.
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen
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Jerusalem, eine einsame Witwe
1 Ach, wie einsam ist die Stadt geworden, die früher voller Menschen war! Einst war sie bei allen Völkern geachtet, jetzt gleicht sie einer schutzlosen Witwe. Sie, die Herrin über viele Länder, muss nun als Sklavin Frondienst leisten.
2 Sie weint und klagt die ganze Nacht, Tränen laufen ihr über die Wangen. Von den Liebhabern, die sie einst begehrten, kommt nicht einer, um sie zu trösten. Alle Freunde sind ihr untreu geworden und haben sich gegen sie gewandt.
3 Nach langer Zeit der Not und Bedrängnis wurden die Leute von Juda weggeführt. Die Verfolger trieben sie in die Enge und setzten ihnen grausam zu. Unter fremden Völkern müssen sie wohnen und können nirgendwo Ruhe finden.
4 Die Wege zum Zionsberg liegen verlassen; sie trauern, weil niemand zum Fest kommt. Die Tore der Stadt sind trostlose Trümmer, die Priester des Tempels seufzen vor Gram, bedrückt sind die Mädchen, die früher dort sangen, Jerusalem selbst leidet tödliche Qualen.
5 Die Feinde sind auf dem Gipfel des Glücks; sie haben endlich erreicht, was sie wollten. Der HERR hat der Stadt dieses Leid geschickt als Strafe für ihre vielen Vergehen. Ihre Kinder hat der Feind geraubt und als Gefangene vor sich hergetrieben.
6 Die Zionsstadt hat all ihren Glanz verloren: Ihre Führer sind wie hungernde Hirsche, die nirgendwo ihre Weide finden und kraftlos immer weiter fliehen, weil der Jäger ihnen auf den Fersen bleibt.
7 Die Zionsstadt denkt zurück an die Tage, als sie in höchste Bedrängnis geriet. Sie denkt traurig an die verlorenen Schätze, die sie seit uralter Zeit besaß. Als ihr Volk in die Hand des Feindes fiel, gab es weit und breit niemand, der ihr half. Ihre Gegner schauten schadenfroh zu und lachten, als sie unterging.
8 Sie hat schwere Schuld auf sich geladen und sich selbst zum Gespött gemacht. Wer sie früher verehrte, verachtet sie nun, weil er sie nackt und schutzlos liegen sah. Sie aber seufzt und stöhnt vor Scham und wendet ihr Gesicht von ihnen ab.
9 Bei ihrem schlimmen Treiben bedachte sie nicht, dass sie ihre Unreinheit nicht verbergen kann. Entsetzlich tief ist sie gefallen und niemand ist da, der sie trösten will. Nun schreit sie: »Sieh doch mein Elend, HERR! Höre doch, wie die Feinde prahlen!«
10 Die Hand des Feindes hat zugegriffen und alle ihre Schätze geraubt. Hilflos musste sie es mit ansehen, wie die Fremden ins Heiligtum eindrangen, Fremde, denen der HERR doch verboten hatte, mit seinem Volk dort vor ihn zu treten.
11 Alle Bewohner der Zionsstadt stöhnen, verzweifelt suchen sie nach Nahrung. Sie geben ihren Schmuck für ein Stück Brot, damit sie sich am Leben erhalten. Laut klagt die Stadt: » HERR, sieh mich doch an! Sieh doch, wie sehr man mich verachtet!«
12 Allen, die vorübergehen, ruft sie zu: »Nichts dergleichen möge euch treffen! Schaut her, wo gibt es solche Qualen, wie ich sie jetzt erleiden muss? Der HERR hat sie mir auferlegt am Tag, an dem sein Zorn mich traf.
13 Von oben her schickte er Feuer auf mich, das in mir wütete und mich bezwang. Er spannte sein Netz aus, um mich zu fangen; ich lief hinein und stürzte zu Boden. Er hat mich völlig zugrunde gerichtet und mich für alle Zukunft krank gemacht.
14 Alle meine Sünden hat er genommen; ein Joch hat er daraus gemacht, das hat er mir auf den Nacken gelegt und ich bin darunter zusammengebrochen. Er hat mich den Feinden preisgegeben, vor denen ich nicht standhalten konnte.
15 Meine Krieger, die ich bei mir hatte, schob er mit einer Handbewegung fort. Er rief die Feinde gegen mich zusammen, um meine jungen Männer zu vernichten. Wie man Trauben in der Kelter zertritt, so ließ er das Volk von Juda von ihnen zertreten.
16 Darum fließen meine Tränen unaufhörlich, ich weine mir die Augen aus dem Kopf. Ich habe niemand, um mich zu trösten, niemand, der mir Erleichterung bringt. Meine Kinder haben keine Zukunft mehr, die Übermacht der Feinde war zu groß.«
17 Die Zionsstadt streckt die Hände aus, doch niemand ist da, der sie tröstet. Der HERR hat die Nachbarvölker gerufen, um sein Volk in die Enge zu treiben. Jerusalem ist für sie eine Stadt, auf die sie voller Abscheu blicken.
18 »Der HERR ist im Recht, wenn er mich straft; denn ich habe mich seinem Wort widersetzt. Ihr Völker alle, hört meine Klage! Seht, welche Qualen ich erdulden muss: Meine Mädchen und meine jungen Männer, sie mussten fort in die Gefangenschaft!
19 Ich rief die Liebhaber, die mich einst begehrten, doch sie ließen mich alle im Stich. Meine Priester und die führenden Männer, elend sind sie umgekommen in der Stadt, weil sie nirgends etwas zu essen fanden, um sich am Leben zu erhalten.
20 HERR, sieh doch, wie verzweifelt ich bin, wie es brennt in meinen Eingeweiden! Das Herz dreht sich mir im Leibe um! Wie konnte ich so widerspenstig sein? Draußen raubte mir das Schwert die Kinder, drinnen raffte sie die Seuche hin.
21 Meine Feinde haben mich stöhnen gehört: ›Niemand ist da, um mich zu trösten!‹ Sie haben von meinem Unglück gehört und sich gefreut, dass du mir das angetan hast. Du hast dein Strafgericht über mich gebracht, das du mir seit Langem angekündigt hattest; aber auch ihnen soll es ergehen wie mir!
22 Ihre Verbrechen sollen vor dein Gericht kommen; zieh sie dafür zur Rechenschaft, so wie du es mit mir getan hast wegen meiner vielen Vergehen! Ach, mein Stöhnen nimmt kein Ende, mein Herz ist schon ganz krank davon.«
Gute Nachricht Bibel, durchgesehene Neuausgabe, © 2018 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart