Warum musste Jesus sterben?
Wie der Tod eines Menschen anderen Menschen ewiges Leben bringen kann
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Wohin bloß mit der Schuld? Diese Frage ist so alt wie die Menschheit. Jede böse Tat, auch die kleinste, drückt auf das Gewissen und belastet Beziehungen. Schon Kinder haben dafür ein feines Gespür – und entwickeln auch früh die Fähigkeit, Schuld zu verdrängen, zu verleugnen und auf andere zu schieben. Erwachsene sind häufig Meister in dieser Disziplin.
Ein Bewusstsein für Gut und Böse – für grundlegende Regeln – hat jeder Mensch. Das zeigen auch die ethischen Grundprinzipien aller Religionen, die den jüdischen zehn Geboten ähneln.
„Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur aus tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. Sie beweisen damit, dass des Gesetzes Werk in ihr Herz geschrieben ist; ihr Gewissen bezeugt es ihnen, dazu auch die Gedanken, die einander anklagen oder auch entschuldigen.“ (Röm 2,14-15)
Und doch haben Menschen schon immer gegen diese Regeln gehandelt. Schuld und Scham sind aber Gift für eine gute Gemeinschaft. Das war Menschen im Grunde immer klar. Genauso weit verbreitet ist das Bewusstsein: schlechte Taten trüben auch das Verhältnis zum Schöpfer, dem Ursprung und Grund der Welt: zu Gott selbst. So entwickelten alle Religionen Strategien, um Schuld zu bereinigen und Schlechtes aus der Welt zu schaffen.
Warum musste Jesus sterben? – auf seinen Tod folgte die Auferstehung
Die ersten Christen fanden in Tod und Auferstehung ihres Herrn und Meisters Jesus Christus die endgültige Antwort auf die Frage nach der Schuld:
„Wenn wir, als wir Feinde waren, mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, so werden wir viel mehr, da wir versöhnt sind, durch sein Leben gerettet werden.“
(Röm 5,10)
Für die ersten Jesusnachfolger, die allesamt Juden waren, enthielt dieser Satz eine Reihe von Schlüsselwörtern.
Versöhnung: Wie eingangs beschrieben, hatten die Juden von Anfang an ein Bewusstsein dafür, dass niemand von sich aus heilig, gerecht und gut vor Gott dasteht. Von den ersten Menschen an hat das Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpfen einen großen Riss bekommen (Gen 1-3). Dieser Riss in der Gottesbeziehung, die Entfremdung vom Schöpfer, heißt in biblischer Sprache Sünde.
„Wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben.“ (Röm 5,12)
Tod: Auch dieses Schlüsselwort war für die Juden eng verknüpft mit dem Ungehorsam und der Schuld der Menschen. Der Zusammenhang ist folgender: Weil die Menschen sich bewusst von Gott abwendeten, haben sie sich von der Quelle des Lebens selbst entfernt. Viel schwerer als der biologische Tod wiegt dabei der geistliche Tod: Die Trennung von Gott in Ewigkeit. Dieser ist eine direkte Folge der Sünde, der Abkehr von Gott.
Sühne, Opfer, Buße: Die hebräische Bibel, für die Christen das Alte Testament, erzählt von vielen Versuchen der Menschen, ihr Verhältnis zu Gott wiederherzustellen. Sie suchten Vergebung durch Gebete und Bußrituale. Sie sehnten sich nach Versöhnung mit Gott, nach Heilung der Beziehung zum Schöpfer. So entstand ein kompliziertes System verschiedener Opferarten, weil sie spürten: Eine Verfehlung gegen Gott ist nicht mit einer schlichten Entschuldigung aus der Welt. Sündenböcke und Sühnopfer linderten den Schmerz der Gottesferne – ganz heilen konnten sie sie nicht.
„Er soll den lebendigen Bock herzubringen. Dann soll Aaron seine beiden Hände auf dessen Kopf legen und über ihm bekennen alle Missetat der Israeliten und alle ihre Übertretungen, mit denen sie sich versündigt haben, und soll sie dem Bock auf den Kopf legen und ihn durch einen Mann, der bereitsteht, in die Wüste bringen lassen, dass also der Bock alle ihre Missetat auf sich nehme und in die Wildnis trage; und man schicke ihn in die Wüste. (3. Mose 16,20-22)
Rettung: Eines hielt die Hoffnung auf echte Versöhnung mit Gott immer aufrecht: Das Versprechen von Gott, die Menschen zu retten. Das deutet sich gleich nach dem Sündenfall an:
„Ich werde Feindschaft setzen zwischen dir (= dem Satan) und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er (= der Retter) wird dir den Kopf zermalmen, und du, du wirst ihm die Ferse zermalmen.“ (Gen 3,15)
In Jesus sahen die ersten Christen diesen Retter gekommen. Eines der ältesten überlieferten christlichen Glaubensbekenntnisse formuliert, dass ...
„... Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften; und daß er begraben wurde und daß er auferweckt worden ist am dritten Tag nach den Schriften. (1. Kor 15,3)
All die Andeutungen von Jesus selbst, dass er sterben würde; dass sein Tod einem göttlichen Plan entspräche. Die Verwunderung der Jünger, dass Jesus der Gewalt seiner Peiniger nichts entgegensetzte. Die Tatsache, dass er noch am Kreuz sagte: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23,34):Jetzt ergab alles Sinn. Jetzt konnten sie all das auf dem Hintergrund der hebräischen Bibel einordnen:
„[Die Menschen] sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt zur Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden in der Zeit der Geduld Gottes, um nun, in dieser Zeit, seine Gerechtigkeit zu erweisen, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.“ (Röm 3,23-26)
Ist das nicht grausam? Musste der Sohn Gottes wirklich leiden und sterben, damit alle, die an ihn glauben, frei sind von der Sünde und ewig leben? Die Antwort der Bibel: Es gab keine andere Möglichkeit der Erlösung, die Gottes Liebe zu den Menschen und seiner vollkommenen Gerechtigkeit gleichermaßen Genüge tut. Gott liebt die Menschen – deshalb tut er alles, um sie zu retten. Und er muss der Gerechtigkeit entsprechen, die er selbst in die Welt gelegt hat, weil sie seinem innersten Wesen entspricht. Also kann nur Gott selbst die Welt erlösen, indem er sich in Christus anstelle der Menschen in den Tod gibt.
„Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Joh 3,16)
Ja, diese absolut zentrale Aussage des Evangeliums ist in gewisser Weise unfassbar. Es übersteigt das Fassungsvermögen des menschlichen Verstandes und kann letztlich nur mit dem Herzen, erfüllt vom Heiligen Geist, wirklich verstanden werden. Dann aber ist es eine Wahrheit, die befreit und Menschen aufleben lässt – nicht erst in Ewigkeit. Das Lied „Amazing Grace“ des ehemaligen Sklavenhändlers John Newton (1725-1807), wohl das bekannteste Loblied auf Gottes Gnade, bezeugt es in eindrücklichen Worten.
„Erstaunliche Gnade, wie süß der Klang
Die einen Unglücklichen wie mich rettete
Ich war einst verloren, doch nun bin ich gefunden
War blind, aber jetzt kann ich sehen“
Auch die Autoren der Bibel suchten und fanden verschiedene Bilder und Deutungsmuster, um den Kern des Evangeliums, den Zusammenhang zwischen Sünde, Sühne, Rettung und Versöhnung tiefer zu verstehen. Diese Beschreibungen sind wie Mosaiksteine, die zusammen ein Bild von der Rettungstat Jesu zeichnen.
- – Jesus, das vollkommene Sühnopfer: Durch seinen Tod wandelte Jesus die Feindschaft der Menschen zu Gott in Freundschaft um:
„Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz. Auch euch, die ihr einst Fremde wart und feindlich gesinnt in bösen Werken, hat er nun versöhnt durch seinen sterblichen Leib, durch seinen Tod, auf dass er euch heilig und makellos und untadelig vor sein Angesicht stelle.“ (Kol 1,19-22) - – Jesus, der Befreier: Er starb, um uns aus der Knechtschaft des Todes und der Sünde zu erlösen:
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal 5,1) - Jesus, der siegreiche Kämpfer gegen das Böse: Er hat die Mächte Satans vernichtet, die uns gefangen hielten. Das „öffentlich zur Schau stellen“ war eigentlich etwas, das römische Feldherren nach einer siegreichen Schlacht taten.
„[Gott] hat die Gewalten und die Mächte völlig entwaffnet und sie öffentlich zur Schau gestellt. In [Jesus Christus] hat er den Triumph über sie gehalten.“ (Kol 2,15) - – Jesus, der Rechtsanwalt, der für unseren ewigen Freispruch sorgt:
„Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand sündigt – wir haben einen Beistand (Anwalt) bei dem Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Und er selbst ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.“ (1. Joh 2,1-2) - – Jesus als ewiger Priester und Opferlamm zugleich, dessen Opfer uns in Gottes Gegenwart anbeten lässt:
„Christus aber ist gekommen als Hohepriester der zukünftigen Güter ...und ist nicht mit Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen und hat uns eine ewige Erlösung erworben. Denn wenn das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh, auf die Unreinen gesprengt, zur Reinheit des Fleisches heiligt, wieviel mehr wird das Blut des Christus, der sich selbst durch den ewigen Geist als Opfer ohne Fehler Gott dargebracht hat, euer Gewissen reinigen von toten Werken, damit ihr dem lebendigen Gott dient.“ (Heb 9,11-14) - – Jesus ist zum „Verlorenen Sohn“ (vgl. Lk 15,11-32) geworden, damit wir Kinder Gottes und damit Teil von Gottes Familie werden:
„Um die neunte Stunde aber schrie Jesus mit lauter Stimme auf und sagte: Eli, Eli, lemá sabachtháni? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Mt 27,46)
„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er hat uns gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in der Himmelsweltin Christus, wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt, daß wir heilig und tadellos vor ihm seien in Liebe,und uns vorherbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade, mit der er uns begnadigt hat in dem Geliebten.“ (Eph 1,3-5)
Die jeweiligen Deutungen des Todes Jesu widersprechen sich nicht, sondern ergänzen einander, und ergeben ein Gesamtbild davon, dass sein Sterben Heil gebracht hat: Es bedeutet Versöhnung, Erlösung und Rettung allen, die auf Jesus vertrauen.
Spätere Theologen haben neue, eindrückliche Analogien gezogen, um die Bedeutung des Kreuzestodes weiter zu erhellen. Martin Luther etwa sprach von einem „fröhlichen Wechsel“ (Tausch): Jesus selbst ist „zum Sünder geworden“, hat die Folgen der Sünde auf sich genommen – damit wir in Gottes Augen wie makellose Kinder sind. Deshalb können wir ihm all unser Versagen und unsere Schuld bringen und seine Vergebung dafür in Anspruch nehmen. Ein einfaches, ehrliches Bußgebet reicht dafür.
Der Theologe Karl Barth nannte Jesus den „Richter, der an unserer Stelle verurteilt wurde“. Damit griff er das Bild vom leidenden Gottesknecht auf, der an der Menschen statt leidet (Jesaja 53). Ein Vergleich, der auch moderne Menschen beeindruckt und berührt: Ein Richter, der selbst Recht spricht und die Gerechtigkeit verkörpert, liebt den Angeklagten so sehr, dass er für ihn die verdiente Strafe auf sich nimmt. So groß ist Gottes Liebe.